Wer war noch mal David
Copperfield?
Robbie Williams Live Summer 2003
David Copperfield ist ein Entertainer. Jemand, der eine
ganz gute Show macht um damit sein Publikum für ein
paar Stunden zu unterhalten. Aber ein Magier ist er nicht.
Sicher ist er geschickt in der Darstellung minutiös
einstudierter Tricks und im verführerisch gucken; aber
es bleibt alles Show, dieser Mann macht keine Zauberei.
Auch seine Kollegen nicht. Nicht der Typ mit der Maske,
der auch noch feige alles verrät. Nicht der Blonde
mit dem kantigen Gesicht, der immer öfter als schnell-noch-interviewter
VIP für das deutsche Privatfernsehen herhalten muss.
Alles Kindergarten.
Wo aber sind die echten Magier? Wo sind die Typen, die ihr
Publikum verzaubern?
Sie sind da, wo Illusion so überspannt wird, dass es
überhaupt nicht mehr um sie gehen kann.
Wo Illusion nicht geträumt, sondern gelebt und deswegen
zu Realität wird.
Wie das funktioniert? Ganz einfach. Stellen Sie sich einfach
vor, ihre Küche ist ein Krankenhaus; und verhalten
Sie sich dementsprechend. Und sie werden sehen, das klappt.
Es funktioniert so einfach und selbstverständlich wie
bei dem größten lebenden Magier, dem Mann, der
Tag ein Tag aus als größter lebender Entertainer
beleidigt wird. Beleidigt, weil diese Beschreibung einfach
nicht ausreicht, und die Kategorie zu klein geworden ist.
Entertainment ist derart überbeansprucht, dass es mittlerweile
am besten zur aufgeblähten Block Buster Reihe bei ProSieben
passt; "That's entertainment!"
Bei Robbie Williams, der vom Mann der Stunde zur unangefochtenen
Nummer 1 der Popmusik avancierte, war Entertainment gestern.
Seit diesem Sommer ist Magie und Zauberei angesagt.
Das war schon während seiner Europatournee beeindruckend.
Wie er wieder und wieder vor vielen zehntausenden Begeisterten
auftrat und sich darüber freute wie ein kleines Kind.
Was während dieser Wochen einfach so vor sich hin passierte,
ist nun auf einem Live-Album festgehalten worden, LIVE SUMMER
2003.
Klingt logisch, die Tournee war ja im Sommer. Doch beim
zweiten Hinsehen zeigt sich, was der Titel eigentlich transportiert.
Aufgenommen wurden die drei Konzerte in Knebworth vom 1.
bis 3. August, die von insgesamt 375.000 Menschen frenetisch
gefeiert wurden, und Williams auch noch den Besucherrekord
der Band Oasis einstellte.
Wie muss sich dieser Mann auf dieser Bühne gefühlt
haben? Vor einem Ozean aus Begeisterung, Hysterie und Freude?
Großartig hat er sich gefühlt. Auch wenn er einen
Knochenjob hat. Und man kann das hören; da passiert
mehr als das perfekt choreographierte Herunterreißen
einer minutiös einstudierten Dramaturgie; dieser Mann
zaubert.
Zunächst kann man denken, er lügt. Nicht einmal
zu unrecht, denn das Live-Album klingt wie die Konzerte.
Die gleichen Witze, die gleichen Schmeicheleien - an den
gleichen Stellen mit dem gleichen Erfolg beim Publikum.
Hat er das nötig? Die Suche nach einem glücklichen
Paar vor "She's the one", die romantisch-melancholische
Gefühlsduselei vor dem sehnsüchtig erwarteten
"Feel"?
Oder dass jedes Publikum das Beste war?
Er hat das nicht nötig. Auch nicht seine Plattenfirma.
Auch nicht der Veranstalter. Sondern wir.
Denn was kann Robbie Williams dafür, dass es keine
Stadien gibt, in die genug Leute passen?
Dann müsste er nämlich keine ganze Tour machen,
sondern nur ein Konzert. Dann würden es alle zur gleichen
Zeit hören. Und alle würden zur gleichen Zeit
kreischen, weil sie zum besten Publikum gehören.
So wie die Dinge stehen, muss er das alles aber sooft wiederholen,
bis es alle gehört haben. Auf allen Konzerten.
Wer nicht da war, kann sich ja jetzt wenigstens das Album
kaufen. Um auch mal verzaubert zu werden.
Wer allerdings da war, muss sich unbedingt das Album kaufen.
Um den Zauber nicht zu schnell zu vergessen.
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