Die Förderkoje als Bindemittel*
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Über die verschiedenen Formen der Förderung und des Vertretens

Wie bei einer Förderanlage handelt es sich um eine Einrichtung zum stetigen Fördern von (Kunst- und Kultur-)Gütern. Indem die Förderkoje begünstigt, beim Vorwärtskommen hilft, indem sie etwas von der Förderstrecke durch den Förderstollen und den Förderschacht zu Tage bringt, d.h. allen klar macht, enthüllt, entstehen Ausstellungen.
Wenn in der verschärften Form das ö zum o wird, tauchen Forderungen auf, die dann zu einem bestimmten Verlangen, mitunter einer sittlichen Pflicht, zum Anspruch eines Gläubigers oder gar zur Ansage eines Zweikampfes führen könnten.

Wenn eine Sache so beschaffen ist, dass sie zu rechtfertigen ist, dann heisst sie vertretbar. Die Förderkoje tritt vorübergehend an die Stelle eines anderen, sie tut das, was der andere hätte tun sollen oder sie tritt für etwas ein, sie verteidigt, sie rechtfertigt, sei es eine Person, eine Anschauung, eine Lehre, eine Ware, eine Firma, d.h. sie vermittelt auch beim Verkauf; deshalb ist sie im Galerienkontext plaziert. Sie kann aber auch versperren, indem sie den Weg vertritt. Wer nicht aufpasst, kann sich leicht den Fuß/die Füße vertreten, was zu Verstauchungen und Verletzungen führen kann oder – im günstigsten Fall – einfach zu mehr Bewegung.

Wer vertreten ist, ist dabei, d.h. präsent.
So hilft die Förderkoje die Pigmentteilchen miteinander und mit dem Malgrund zu verkleben, um Gegenwart zu bilden und sorgt für mehr direkte Distribution.

Der 1. Wohnsitz der Förderkoje befand sich in der Marienstrasse 28 in 10117 Berlin – natürlich im Stadtbezirk Mitte – in einem topmodernisierten Haus in unmittelbarer Nachbarschaft zur StäV (Ständige Vertretung), zu Rolf Hochhuth ("Der Stellvertreter") und seinem BE (Berliner Ensemble) und zum Papst (Hotel Albrechtshof).

Ralf Schmitt, Jan. 1998

*Doerner, Max: "Die nichtflüchtigen Anteile der Malfirnisse und der Malmittel nennt man Bindemittel. In den Malfarben haben die Bindemittel die Aufgabe, die Pigmentteilchen miteinander und mit dem Malgrund zu verkleben und so mit ihnen gemeinsam den Aufstrich zu bilden."






Vom Trüffelschwein-Syndrom** zum Obristkeitsdenken

Vom Verschwinden keine Spur. Stattdessen Kuratorendeutsch aus allen Ecken und Offs. Die Strategie der Vernetzungskultur führt vielerorts zur faden Suppe der Mutlosigkeit, des Wartens und des Sich-gegenseitig-Beobachtens. Immer mehr schmeckt gleich. Nur selten kommt jemand auf die Idee, seinen Löffel abzugeben. Stattdessen wird gemäkelt, aber nicht versalzen! So wachsen die neuen Suppenkaspers heran.

Mehr denn je müssen deshalb Mehrkämpfe und Fo(e)rderungen nicht nur angesagt, sondern auch ausgetragen werden, um aus dieser hierarchischen Sprach- und Tatenlosigkeit auszubrechen. Notfalls auch durch Erbrechen.

Ralf Schmitt, Juli 2004

**"Obrists erste Ausstellung World Soup fand 1991 in der Küche seiner St. Gallener Wohnung statt. Die Idee hierfür entstand in Gesprächen mit Christian Boltanski. Es ging ihm nicht darum, eine Ausstellung rund um die Themen "Essen" oder "Kochen" zu veranstalten. Obrist wollte vermeiden, was er das "Trüffelschwein-Syndrom" nennt: ein Thema mit Hilfe von Kunst zu illustrieren. Er wollte vielmehr eine Ausstellung an einem Ort machen, an dem üblicherweise keine Ausstellungen stattfinden." (aus: Jan Winkelmann: "Das Phänomen. Ein Portrait des jungen Schweizer Ausstellungsmachers Hans-Ulrich Obrist" 1996)





Die Förderkoje als Heimsuchung

Gehen wir einmal davon aus, dass der "Faden der Ariadne" längst gerissen
sei und wir im "Theater des Jetzt"*** leben, so hat(te) die hippe Galerienszene in Berlin-Mitte den Vorteil, durch ihre Uniformität in Gedanken, Sprache, Motorik, Aussehen, Kleidung, Mimik, Gestik, Spekulation und Enttäuschung, dark room und white cube ein einigermaßen stabiles Bild einer grauen Maus zu erzeugen, das durch ihre kontinuierliche Repetition und Mitose im Gewand eines Flaschentrockners daherkommt und sich somit als "ready-steady-made" eignet.

Ein Kuckucksei ins Nest legend, oszillierend in der Gleichzeitigkeit zwischen Angebot, Kommentar und Widerstand, die GeStirne zu bieten: Konstellationen; es geht um das, was sich einstellt, wie die Dinge zueinander stehen; dabei gibt es keine Zeiten des Öffentlichen, sondern nur Vereinbarungen.

***
Vgl. Deleuze, Gilles & Foucault, Michel: Der Faden ist gerissen. Merve Verlag Berlin 1977


Ab MERZ**** bis April, April

Nach Auszug aus der Marienstr. 28 und fehlgeschlagenem Umzug ins "Förderzimmer" in der sogenannten Zimmerstrasse in Berlin wird die Förderkoje zukünftig persönliche Heimsuchungen in Form von "Hausbesuchen a.a.O." veranstalten, bis der geplante Neubau bezugsfertig ist.

Ralf Schmitt, Oktober 2005

**** Der Merzbau von Kurt Schwitters war aus "Prinzip" unvollendet, wuchs immer weiter und veränderte sich fortwährend. Kurt Schwitters bezeichnete ihn selbst als sein Lebenswerk. Dreimal begann er den MERZbau zu errichten, zuerst in Hannover, dann 1937 in der norwegischen und 1947 in der englischen Emigration.
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