Wunder mit Werk
Olafur Eliasson: Sonne statt Regen - Lenbachhaus
/ Kunstbau München
08.03.2003 - 15.06.2003
Alles geht einmal zu Ende. Das Eine früher, das Andere
später. Und dabei ist das mit dem zu Ende gehen so
eine Sache. Manchmal sehnt man sich dem Ende eines Filmes
weit mehr entgegen, als einen die Vorfreude in ihren Bann
zu ziehen vermochte. Hin und wieder wünschte man, gerade
Erlebtes würde nie zu Ende gehen, die Gegenwart sich
durchsetzten und ihr Eintreten in die Zukunft aufgeben.
Allerdings wird auch von Fällen berichtet, die kein
Ende nehmen. Denen die zeitliche Begrenztheit ihrer Präsentation
nicht die Wirkung nimmt oder das Bleiben unterbindet.
So ist gewiss, dass die Ausstellung Sonne statt Regen
des Dänischen Künstlers Olafur Eliasson, die am
15. Juni abgebaut wird, nicht mit diesem Tag endet.
Eliasson hat den Münchner Kunstbau, einen wahrhaft
imposanten Ort - effektvoll in einem U-Bahn Schacht platziert
- an dessen linker Seite mit einer 110 Meter langen und
über fünf Meter hohen Membran ausgestattet. Diese
Membran dient als Cover einer Phalanx Computer gesteuerter
Neonröhren, die von strahlendem Weiß in warmes
Rot, Orange, Violett und Gelb - aber auch in kühlendes
Blau und Grün changieren. Die Farbwechsel bewegen sich
als sanfte Wellen von links nach rechts und umgekehrt, oder
breiten sich vom Zentrum in beide Richtungen aus.
Entscheidend für die Komposition der Farbklänge,
die offensichtlich niemals wiederholt werden, sind auch
die Pausen, in denen die Wand einfach weiß leuchtet
und sich für den nächsten Durchlauf zu erholen
scheint.
Überlässt man sich während des Besuches
im Kunstbau ganz der Wirkung der Eliassonschen Installation,
bemerkt man nach ein paar Augenblicken, wie man sich ihrem
Rhythmus anpasst, sich besonnener bewegt und dabei befreit
aufatmet.
Die unverfängliche und reine Ruhe, die zusammen mit
dem Licht abgestrahlt wird, überträgt sich auf
Raum und Besucher. Der Raum wird zur gigantischen Leinwand,
welche die immense Fülle der entstehenden Lichtskizzen
für den Moment ihrer Existenz beherbergt. Die Besucher
sind Publikum und Akteure im selben Moment; können
beobachten, sich jedoch der kalkulierten Wirkung der Arbeit
dabei nicht entziehen.
Eliasson, weltberühmt geworden vor allem durch seine
Installationen, die Naturphänomene im kulturellen Kontext
nachspielen und dabei nicht einmal den Versuch unternehmen,
die verwandte Technik zu verhehlen. Immer noch im Gedächtnis
ist dabei seine Einzelausstellung Surroundings Surrounded,
die 2001 vom Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie
gezeigt wurde. Für diese Ausstellung installierte Eliasson
unter Anderem eine große Eisfläche, gespeist
durch eine riesenhafte Kühlmaschine, besetzte einen
Raum mit einem gewaltigen Sturm, verursacht durch eine Batterie
von Ventilatoren und zeichnete durch vernebeltes Wasser
und gleißende Lichtquellen einen Kubikmeter Raum.
Für Sonne statt Regen kombiniert er nun diese
kulturelle Technik mit seinen Landschaftsphotographien,
aufgenommen in Island, wo er die ersten Jahre seines Lebens
verbrachte. Diese Aufnahmen, publiziert in einem zur Ausstellung
erscheinenden Bildband, zeigen völlig menschenleere
Landschaften, sumpfartige Tundraböden und weite Horizonte.
Schnell wird klar, dass die kulturelle Bedeutung dieser
Aufnahmen weder in ihrer handwerklichen Qualität, noch
in ihrer kunstgeschichtlichen Tradition zu finden sein wird.
Es ist das Zusammenspiel mit der Installation, das sie immanent
werden lässt.
Deutlich wird von jeder dieser Aufnahmen ausgerufen, sie
wolle die Natur von jenem Ballast befreien, den ihr weite
Strecken der Kunstgeschichte aufzwängten. Ähnlich
argumentierend wie der weit gereiste Literat Max Frisch,
den es regelrecht ärgerte, dass man keine Mohnfeld
mehr sehen konnte, ohne gleich an Monet zu denken.
Die Photographien werden in ihrem Bildband zumeist in Cinema-Scope
Breite präsentiert, und unterstreichen dadurch auch
formal die Nähe zur installierten Lichtwand. Nichts
an ihnen erinnert an den Romantiker Caspar David Friedrich
und sein vre. Auch der ewige Impressionist Monet kann
von nun an allein in seinen Feldern spazieren gehen.
Nachdem Olafur Eliasson nun so befreit seine Loslösung
von der bösen Kunstgeschichte einläutet, hat die
Leuchtwand natürlich leichtes Spiel. Und ihr gelingen
wahrhaft wunderbare Dinge. Nämlich gelingt es ihr,
Gefühle auszulösen, die sich sonst nur nach einem
ausgedehnten Spaziergang durch die Landschaft einstellen.
Und auch nachdem klar wird, dass man seine Gefühle
einer Maschine zu verdanken hat, bleiben sie einem erhalten.
Die leuchtende Installation schafft es also, durch ausgeklügelte
Technik und Programmierung den hektischen, technisierten
Alltag auszusperren.
Wird das Leuchtband Blau, und erinnert man sich an die
endlos weiten Horizonte im Bildband, fällt es einem
wie Schuppen von den Augen, an wen der Titel der Ausstellung
ein respektvoll freundschaftlicher Gruß ist: Sonne
statt Regen greift den Beuys Song Sonne statt Reagan
auf, den der Meister 1992 der Aufrüstpolitik Ronald
Reagans entgegen setzte.
Denn wo kämen wir denn hin, wenn wir eines Tages nur
noch mit Hilfe eines Computers die romantischen Gefühle
eines Spaziergangs rekapitulieren könnten?
Das wäre wirklich zu schade. |