Bildersturm
Marc Brandenburg Hirnsturm
Galerie Ascan Crone 08.11 - Ende November 2003
Der Künstler Marc Brandenburg gewährt in seiner
aktuellen Ausstellung "Hirnsturm" in der Berliner
Galerie Ascan Crone Einblick in sein Verhältnis zur Welt.
Dabei kommt vor allem ans Licht, was manche so deutlich nicht
sehen wollen.
Marc Brandenburg hält niemandem einen Spiegel vor die
Nase. Er zeigt auch auf niemanden mit dem Finger. Und er schreit
auch nicht herum. Alle sollen selbst sehen, worum es geht.
Sein Werk ist eine stete Auseinandersetzung zwischen seiner
Persönlichkeit und seinen beiden Umwelten. Der Umwelt,
die er gewählt hat - mit seinem Alltag und der Umwelt,
die es auch noch gibt. Mit schwelendem Rassismus, Verzweiflung
und Menschen, die ihre Augen vor dem Leid anderer verschließen.
In seinen detailbeseelten Zeichnungen scheinen sich diese
beiden Hauptdarsteller die Waage zu halten: Unheimliche Dokumentationen
von Neonaziaufmärschen in Berlin konterkarieren mit heimeliger
Privatsphäre, wucherndem Buschwerk und großen Zirkuszelten.
Scheinbare Banalitäten verwässern hier nicht, sondern
werden zum Gradmesser für die Aufmerksamkeit von Brandenburgs
Ausstellungsbesuchern; niemand soll sich in die schockierende
Seite der Welt mit betroffener Miene flüchten, alle sollen
sehen, dass das Nebeneinander von Gut und Schlecht, und vor
allem das Wegsehen Vieler seine Anliegen sind.
Während seiner Ausstellungen macht er das durch einen
simplen Effekt auch physisch spürbar. Marc Brandenburg
präsentiert seine Arbeiten auf schwarzen Wänden
und verwendet zur Beleuchtung Schwarzlicht, zunächst
um die visuelle Wirkung seiner Arbeiten zu verstärken;
denn unter Schwarzlicht leuchtet das freigelassene Weiß
derart stark, als würde er auf das zeigen wollen, was
er nicht zeichnet. Dieser Effekt macht allerdings vor allen
anderen hellen Flächen nicht halt. Und so sieht fast
jeder plötzlich irgendwie scheiße aus; ein verfusseltes
schwarzes Hemd wirkt plötzlich wie eine Armada Hausstaubmilben,
ein huschig geschminktes Gesicht wird zur grotesken Fratze.
Fingernägel und Zähne überzieht auf einmal
ein scheintot wirkender Schleier.
Nun kann niemand mehr wegsehen, und jeder gehört dazu.
Ist der Effekt dabei wichtiger als die Abbildung?
Mit Sicherheit nicht, obwohl seine Darstellungen Momentaufnahmen
sind. Die Ursachen dieser Momente werden allerdings noch lange
existieren, und Brandenburgs Arbeiten zu gezeichneten Denkmalen.
Vor neun Jahren zeichnete Marc Brandenburg den Tagesablauf
seiner privaten Welt; mit sanftem Strich, auf warm-farbiges
Papier. Spaziergänge, Teerunden und weitere, schnappschussartig
festgehaltene Szenen. Die Zeichnungen sind in der Arbeit Picturebook
zusammengefasst, dass als Buch und als Reihung der Einzelblätter
ausgestellt werden kann. Brandenburg verstärkt den poetischen
Charakter der Darstellungen durch eine gezeichnete Rahmung;
liebevoll gesetzte Bleistiftkringel umranken die Zeichnungen,
als sollten sie ihnen ihre eigene heile Welt zu bewahren.
Seit der Serie Full Circle wird das Thema politischer, sein
Ton offensiver. Der Strich zuweilen hart wie Metall auf gleißend
weißem Papier. Der Untertitel "Excepts from Negrophobia"
verweist auf den Sensationsroman des schwarzen US-Autors Darius
James, der die Verhältnisse im, von schwelendem Rassismus
verseuchten Amerika, schonungslos ans Licht bringt.
"Ausgangsmotiv für FULL CIRCLE ist die berühmte
Sequenz des 1940 entstandenen Disney- Films "Fantasia",
in der sich die Silhouetten von Mickey und dem Dirigent Leopold
Stokowski die Hände reichen.
Mit FULL CIRCLE übernimmt Brandenburg diese Konstellation,
indem er Darius James in einem eigens für die Ausstellung
vom Künstler gestalteten Raum in der uniformierten Rolle
eines Mickey- Mouse- Führers aus verschiedenen Perspektiven
fotografiert, die in ihrer Gesamtheit eine Kreisbewegung ergeben
- eine Drehung um ein Podest, auf dem James wie sein Vorbild
Stokowski in der Haltung eines Dirigenten positioniert ist.
Die so entstandenen Fotos bilden die Grundlage für Brandenburgs
Serie von Zeichnungen. Gleichzeitig ist FULL CIRCLE die pseudo-authentische
Rekonstruktion einer Performance, die jedoch erst am Eröffnungsabend
tatsächlich stattfindet, wenn Darius James vor dem Publikum
Auszüge aus NEGROPHOBIA zur Aufführung bringt, ein
Werk zu dem er sagt: "Ich möchte, das jedem körperlich
schlecht wird, der einen rassistischen Gedanken hat."
FULL CIRCLE bezeichnet Formen einer geschlossene Bewegung:
den Kreislauf immer wieder reproduzierter Vorstellungen, das
Kreisen eines Taktstockes, die Rundungen eines Scheinwerfer-Spots,
den Zyklus von Tätern und Opfern."
so schrieb die Laura Mars Grp. anlässlich des 2001 stattfinden
Ausstellungs- und Performanceprojektes.
Seine aktuelle Ausstellung "Hirnsturm" in der Berliner
Galerie Ascan Crone muss ohne Performance auskommen. Sicherlich
hat sich nicht nur deswegen niemand erbrochen.
Dennoch schienen die Besucher, die nicht nur wegen des Weins
zur Eröffnung gekommen waren, seltsam berührt. Von
ihrem Blick auf die formulierte Realität des gekannten
Umfeldes.
Marc Brandenburg braucht dabei keine eigene Welt, in die er
flüchtet um aus ihr heraus zu agitieren. Ihm genügt
die Wirklichkeit. |
|
|
|
|