Hosen runter, Thomas !

Thomas Hirschhorn - Arndt & Partner
15.12.2002-20.02.2003

"Der Künstler der Kontraste" - wie Thomas Hirschhorn von der Kunsthistorikerin Dr. Karin Mohr bezeichnet wurde - möchte keine politische Kunst machen. Sehr wohl aber Kunst politisch.

Dieses zunächst nur leicht verstörende, dennoch aber pompöse Paradox, scheint bezeichnend für Hirschhorn. Für seine Arbeiten, und seine Aussagen.
Schwerlich vorzustellen, wie das Ergebnis eines nicht politischen Prozesses ein Politikum sein kann. Ähnlich unverständlich wie Hirschhorns Wunsch, durch die Verknüpfung intellektueller Ikonen mit einfachem Bastelmaterial gesellschaftliche Hierarchien aufzuheben.

In seiner aktuellen Einzelausstellung in der Berliner Galerie Arndt & Partner zeigt uns Herr Hirschhorn die Arbeiten Doppelgarage und Neighbours.
Die Doppelgarage steht latent im Bezug zur vierteiligen Monumente-Reihe, die 1999 mit dem Spinoza-Monument in Amsterdam begann, 2000 mit Gilles Deleuze in Avignon Station machte und 2001, im Bataille-Monument als Beitrag zur Documenta11 ihren vorläufigen Höhepunkt feierte.

Hier in Berlin, aber eben nicht als Monument, kommt Nietzsche an die Reihe.
Die Garage, die mit Werkzeugparkplätzen und allegorisch drapierten nackten Frauen nach Bezug zu ihrem Titel ringt, wie ein ans Land gespülter Fisch, ist eine zwei Räume umfassende Installation, die nach der finalen Transgression zu schreien scheint. So laden drei Tische, bewacht und bewachsen von riesenhaften Pilzen, Pappmachekratern, die mit verschlagworteter Visualisierung aktueller politischer Ereignisse ihre Einbindung finden und durch diese Landschaft ächzende Spielzeugeisenbahnen zum verweilen und Nachdenken ein. Wieder einmal macht Hirschhorn auf die gesellschaftlichen Verhältnisse aufmerksam, wieder einmal mit dem Ziel, wertfrei und breit zugänglich zu sein. Es ist schon ambivalent, so ein Menschenleben; mal fühlt man sich klein, so klein wie dieser Zug. Oder riesig, kraftvoll und wuchernd. So wie diese Pilze. Schön, dass es auch den anderen so geht. Aber lasst uns doch einfach erstmal alle Grenzen wegreißen, dann läuft's bestimmt besser.

Die Eisenbahnlandschaften teilen sich den ersten Raum der Doppelgarage mit mehreren Quellen klinisch-reinen Neonlichts, von dessen Gehäusen Klebestreifen mit bunten Bildchen zu uns herabsteigen, und Wänden, auf denen Ikonen der Populärkultur mit Ikonen des Intellekts um die Vorherrschaft im Diskurs der Welt wetteifern. Dieser Raum wird durch eine riesenhafte Rakete mit dem zweiten verbunden. Glücklicherweise wurden die Texte, die auf der mit Goldfolie geschmückten Rakete angebracht sind, so weit fragmentiert, dass kein direkter Sinnzusammenhang mehr gegeben ist. Eine kurze Verschnaufpause, aber wirklich nur eine kurze. Denn die nun links angebrachten Skulpturen, die an biomorphe Gefäße zum Aufbewahren angesammelten Wissens erinnern, dominieren den linken Teil. Weiter hinten Links steht Nietzsche selbst. In der Ecke. Der rechte Teil wirkt wie ein fragmentierter Gegenpol zu seinem verdichteten Gegenüber. Mehrere, zueinander selbst bezuglos stehende, einzelne Kojen, tragen Textausschnitte und ein paar Fotos. Und wieder kommen Klebestreifen mit Bildchen daran von der Decke.

Man musste in den letzen Monaten sehr oft lesen, wie sehr Herr Hirschhorn das Prekäre liebt, das Bedenkliche. Aber, was er eigentlich damit will, blieben die entsprechenden Interviews schuldig.

Hirschhorn, der sich selbst gerne als Künstler, Arbeiter und Soldat bezeichnet, scheint an der Auflösung aller bestehenden Grenzen interessiert zu sein. Niederreißen, und das mit aller Kraft und noch viel mehr, möchte er die trennenden Linien zwischen elitärer und allgemeiner Zugänglichkeit. Zwischen Literatur, Kunst und Philosophie. Höchstwahrscheinlich auch zwischen Kunst und Leben. In seiner "Ästhetik der Randgruppen" sieht er neben der Verbindung von Kunst mit Massenkultur auch den radikalen Ausdruck der Verweigerung. Und begibt sich daraufhin auf die Suche nach dem Sinn des Lebens.

Soll er machen. Allerdings sollte man ihn nicht so einfach ziehen lassen. Zu erst soll er sagen, was er will. Soll die Hosen runter lassen, oder wenigstens die Karten auf den Tisch packen. Sein politisches Engagement für das Gute in der Welt verbindlich formulieren. Und sich bitte nicht im Kunstmarkt ausruhen, wie dieser Tage bei Matthias Arndt und seinem Partner. Wenn er Grenzen niederkämpfen möchte, dann da, wo noch solche sind, bei denen es sich lohnt.
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