Zehn Jahre gehen auch vorbei.

Stephan Braunfels - Pinakothek der Moderne
Kunstareal München, Barer Straße 40, 80333 München

Es war einmal ein kleiner Junge. Der kam zur Welt in der Nähe des schönen Bodensees, und war seine ersten Jahre umgeben von idyllischen Landschaften und saftigen Wiesen. Doch statt gedankenverloren durch die Wälder und über die Felder zu strolchen, spielte er lieber mit Bausteinen. Später würde er einmal Architekt werden. Dann würde er den ganzen Tag Häuser bauen. Echte und große Häuser würde er bauen.

Eines Tages war es dann auch soweit. Und er nannte sein Büro, wie er es schon immer hatte nennen wollen: Stephan Braunfels Architekten.

In den folgenden Jahren verbrachte er dann die meiste Zeit damit, sich um den Münchner Stadtraum verdient zu machen, und diesen mit zahlreichen Wohnbauprojekten und städtebaulichen Entwürfen aufzuwerten. Auch hier war er wieder sehr fleißig und schnell. Möglichst viele seiner Idee sollten den Weg vom Zeichentisch auf die Baustelle finden, auch wollte er München nicht ganz dem Schaffen weniger sensibler Kollegen überlassen. So wie beim Bau der Staatskanzlei, als er nicht weniger als 15 selbst finanzierte Gegenentwürfe einreichte, wie mit dem gesamten Areal besser zu verfahren sei.

Auf die internationale Bühne stieg sein Büro 1992. Denn in diesem Jahr gewann Stephan Braunfels für die einen "recht überrraschend", für die anderen "völlig zu Recht" den Wettbewerb um die Pinakothek der Moderne in München. Und damit um eines der imageträchtigsten Kulturprojekte der letzten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. 1994 gewinnt Braunfels zudem den Wettbewerb für das Paul-Löbe-Haus, den künftigen Sitz der Bundestagsverwaltung, kombiniert mit Abgeordnetenbüros sowie Sitzungssälen des Bundestages. Und konzipiert einen Gebäudekomplex mit 150.000 Quadratmetern Baugesamtfläche, der an einen riesenhaften Achtzylinder erinnert. Platziert in unmittelbarer Nachbarschaft zum Reichstag fungiert der Bau als Motor der Republik, zumindest symbolisch. Als wäre das nun noch nicht genug gewesen, gewinnt Stephan Braunfels, ebenfalls 1994, den Wettbewerb für die Bürogebäude der Europäischen Kommission in Luxemburg, die 2004 fertig gestellt werden sollen.

Spätestens jetzt war klar, Stephan Braunfels ist das, was man eine gute Partie nennt. Er ist einer von den Großen.

2002, volle zehn Jahre nach dem gewonnen Wettbewerb, ist es nun endlich soweit; die Pinakothek der Moderne ist fertig. Frisch eingeweiht beherbergt sie nun die Bayerische Staatsgemäldesammlung, das Architekturmuseum der Technischen Universität, die Staatliche Graphische Sammlung und die als ‚Neue Sammlung' betitelte Designsammlung.

Ein sich gegenüber seinen Nachbarn beinahe harmoniesüchtig benehmendes Museum, das - obwohl es mit 12.000 Quadratmeter mehr als doppelt soviel Nutzfläche bietet - in seiner Höhe dem eleganten Museumsbau Leo von Klenzes, der Neuen Pinakothek entspricht. Hier begegnet also ein echter Souverän gleich berechtigten Partnern. Hier wird ein eingespieltes Ensemble ergänzt. Hier wurde über den eigenen Tellerrand hinaus geplant.

Das Gebäude wirkt auf den ersten Blick weder brachial, noch kann es übersehen werden. Ein gestreckter Kubus, der ein beeindruckendes Spiel mit den Grundbausteinen der frühen Moderne - Rechteck, Quadrat, Kreis und Dreieck - treibt.

Zur Innenstadt in einen Wintergarten mündend, öffnet sich das Gebäude auf der gegenüberliegenden Ecke mit einem großzügigen Eingangsbereich, dessen Dachvorsprung auf vielen, dünnen Säulchen ruht und in einem spitzen Dreieck zuläuft, in Richtung der Alten Pinakothek. Dieser diagonale Gebäudeschnitt verbindet Innenstadt mit Museumsviertel wie ein riesenhaftes, ausgeklapptes Scharnier und verleiht der Pinakothek der Moderne tatsächliche städtebauliche Bedeutung.

Braunfels lockert die Sichtbeton-Fassade, die durchaus eine Spur perfekter hätte gelingen müssen, durch vertikal gesetzte Fensterbänder auf. So zieht er die Blicke ins Innere und bereitet die Besucher auf die schier nicht enden wollenden Weiten der magisch-weißen Innenräume vor.

Der Innenraum wird sanft beherrscht von seinem Eingangsbereich, einer runden ‚Piazza', die das absolute Zentrum des Museums bildet. Direkt unter der Glaskuppel der Rotunde gelegen, fungiert sie als zentraler Treffpunkt, Ort der Information und Kommunikation; hier beginnen und enden die Besuche in der Pinakothek der Moderne. Und hier ist Stephan Braunfels ein kleines Wunder gelungen; er hat einen Kreislauf mit einem Punkt versehen, an dem er enden und beginnen kann. Ohne ihn jedoch zu unterbrechen.

Die ‚Piazza' ist demokratisch platziert, und von beiden Eingängen mit den gleichen Mühen zu erreichen. Nach oben findet der Eingangsbereich in einer Reihe ringförmiger Emporen seine Fortsetzung, die sich wie Logen um ihn winden.
Nach links und rechts trifft der Blick auf zwei imposante Treppenräume, auf denen Münchens Bildungsbürger sicherlich ebenso elegant auftreten werden, wie vor der Oper. Diese räumliche Groszügigkeit, die den Blick nicht verstellt, sondern weiterreicht, arbeitet gezielt für die Kunst: Die Besucher fangen an, mit Weitblick wahr zu nehmen. Dieser Weitblick entfaltet sich in den schlichten Tageslichträumen, in denen die Arbeiten präsentiert werden, natürlich besonders gut.

Dieses Arrangement lässt sich auch funktional lesen; vier autonomen Abteilungen des Museums werden über dieses räumliche Verteilersystem aus Diagonalen, Emporen und Treppenläufen mit einander vernetzt, ohne aneinander gekettet zu werden. Alle wohnen unter einem Dach, aber jeder hat sein eigenes Zimmer.

Alles in allem wird eine konsequent für die Besucher zusammengestellte Ausstellung gezeigt, die schlicht und ergreifend gut funktioniert. Und die leider gegen einen gewichtigen Gegner aus den eigenen Reihen antreten muss; den Museumsboden. Ein Mix aus Weiß, Grau und Schwarz - gemein flimmernd bringt er die vornehme Zurückhaltung aller Räume aus dem Gleichgewicht. Für die tägliche Benutzung scheint der Belag völlig untauglich, denn eine den Boden vergrauende Schicht zeichnet die hauptsächlich nachgefragten Wege nach. Das sieht schlampig und billig aus, verdirbt den Gesamteindruck, weil wieder einmal am falschen Ende gespart wurde.

Mit der Pinakothek der Moderne hat Stephan Braunfels der Kunst dennoch ein großes Geschenk gemacht, und sich selbst ein Denkmal gesetzt. Und wahrlich einen vollen Treffer gelandet. Wenn auch keinen so brachialen Kracher, wie ihn Herzog & de Meuron mit ihrem Baseler Schaulager abgeliefert haben.

Nicht, dass er nicht auch lauter hätte bauen können, als er es auf den ersten Blick getan hat. Stephan Braunfels hatte sich eben entschieden, wie ein wohlerzogener Schwiegersohn aufzutreten. Dieses Mal.
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