Paris, wo bist du, wenn
man dich braucht ?
Französische Botschaft,
Pariser Platz, Berlin
Einweihung am 22.01.2003
Immer wenn man durch Paris fährt, bemerkt man unweigerlich
eines der bedeutenden französischen Talente. Den gekonnten
Umgang mit großen Gesten.
Dieses Talent spiegelt sich in Paris in erster Linie in der
Architektur wieder, und nach einem Besuch der Siedlung la
Défense kommt man nicht umhin, jenen Umgang mit
großen Gesten um das Adjektiv gelassen zu erweitern.
Eine Gelassenheit, die der viel gerühmten französischen
Eleganz entstammt, und, um bei Architektur zu bleiben, bereits
im Großflughafen Charles de Gaulle meisterhaft
inszeniert wurde. Diese sich durch alle architektonisch vertretenen
Epochen ziehende Baukunst konnte zielsicher in die Postmoderne
hinüber gerettet werden.
Nähert man sich nun, den Kopf noch voller Paris, der
neuen Französischen Botschaft am Pariser Platz in Berlin
ist das Erwachen jäh. Und auch hart. Die, bei all der
Vorsicht, die erste Eindrücke gebieten, mindestens eigenwillige
Fassade, stellt zunächst eine schwierige Aufgabe. Wo
soll man anfangen? Anfangen anzusehen, anfangen einzuordnen,
oder anfangen zu analysieren? Mit diesen Fragen lässt
uns der Architekt Christian de Portzamparc allein.
Beginnen wir nun der Einfachheit halber unten: Ein ebenso
massives wie pompöses Sockelgeschoß stellt sich
wie eine gut gebaute Phalanx Besuchern wie Angreifern in den
Weg. Die breite Schicht wird unterbrochen von zahlreichen,
über die gesamte Höhe verteilten und spärlich
illuminierten Schießscharten und beherbergt zudem das,
für sich genommen, einladende Hauptportal. Durch dessen
mausgraue Überdachung wurde ein riesenhafter Speer gerammt,
der nun die Tricoloré im Wind flattern läßt.
Das Sockelgeschoß wurde auf groteske und absurde Weise
rustiziert, handelt es sich doch um mit Presslufthämmerchen
behauenen Sichtbeton. Zwar mag das Ergebnis dieser Technik
stärker wirken, als die in Berlins Mitte gerne verbauten
Sockel aus Naturstein, enttarnt es sich als lächerlich
martialisch und schroff.
Die so etwas wie Raum, Weite und Erhabenheit ausstrahlende
Beletage wirkt wie das abrupt geforderte Ende mehrerer Schaffensprozesse.
Großzügig verteilte französische Fenster machen
schon beim Gedanken an den Blick von drinnen nach draußen
neidisch. Besonders weil man von innen nicht mehr sehen muss,
wie derb die Fassade der Beletage von den vielen Einschnitten
und Verkantungen gebeutelt wird. Darüber hinaus mag das
Grau, mit dem die Verkantungen verputzt wurden, zwar ganz
gut mit dem strahlenden Weiß der Fassade harmonieren;
mit dem Grau des Dachvorsprungs und der Umrahmung des Haupteingangs
aber will es sich partout nicht vertragen. Wahrscheinlich,
weil sich die beiden so ähnlich sind.
Nach oben findet die Beletage in einer Reihe flacher und breiter
Fenster ihren Abschluss, die zum hektischen Rest etwas zu
statisch geraten sind.
Der weitere Weg in Richtung Dach wird nun besonders interessant.
Ein wilder Materialmix, der Marmor, Stein, Glas und Stahl
verbinden möchte, und dabei allenfalls zusammenwürfelt.
Das auf einer dünnen und durchgehenden Fensterfront ruhende
Marmorband steht zudem etwa einen halben Meter von der Fassade
ab, als wolle es sich als allererstes ins Auge des Betrachters
stürzen. Darüber findet das Gebäude in einem
hellgrauen Deckel seinen Abschluss, der wiederum nicht zu
den bereits weiter unten verwandten Grautönen passt.
Auffallendstes Merkmal des Daches ist allerdings die um etwa
zwei Meter geringere Firsthöhe gegenüber der Dresdner
Bank, des direkten linksseitigen Nachbarn. Was wirkt wie eine
unsichere höfische Verneigung, ist in Wirklichkeit die
fatale Entscheidung, einfach so zu bauen, wie man eben will.
Und nicht, wie es ästhetisch zu vertreten wäre.
So muss nun der arme Pariser Platz in Berlin ohne französische
Eleganz weiter zu bestehen versuchen.
Ach, Paris, wo ist deine wahre Größe, wenn man
sie braucht ? |
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